Unter den großen Galeristen gelingt es Hans Mayer seit Tag und Jahr am besten, Andere zu feiern. Nun ist er selbst an der Reihe. Hans Mayer kann auf 50 Jahre Galeristendasein zurückblicken. In diesem Jahr wird er 75 Jahre. Seinen beiden Kinder, Max und Marie, hat er den Weg ins Galeriegeschäft eröffent. Obendrein erhält er den Art Cologne Preis.
Trotz aller Turbulenzen und Verwerfungen auf dem
Kunstmarkt bleibt Hans Mayer im großen Zeit-Interview (gemeinsam mit seinem
Sohn Max) standfest: „Dieser Beruf ist ein Privileg.“ Dabei gehört es zu Hans Mayers eigener Kunst, Anderen den
Teppich auszurollen und den Vortritt zu lassen: All die Eitlen und Schönen, die
Schwerreichen und die Scheinriesen dürfen sich bei Mayer willkommen fühlen.

Auf der Arbeit. Dominique, Marie, Lerato und Stephanie Mayer (v.l.) strahlen auf der Vernissage von Zander Blom. Marie Mayers Einstand am Grabbeplatz.
Er selbst wirkt gern im Hintergrund, wohlgemut und
gutgelaunt, geräuschlos und stets charmant, undogmatisch und diskret. Er ist
damit zu einer Ausnahmeerscheinung geworden, der sein berühmtes vielsagendes Mayer-Lächeln
lächelt und es es gerne anderen überläßt, sich in den Vordergrund zu drängen. So sicher er den
richtigen Moment erfasst, so sehr er das Ereignis schätzt, Events anzettelt,
das Spektakuläre anzieht, von Skandalen ist der Familienvater seit fünfzig
Jahren frei geblieben.

Eine Spur hintergründiger Eleganz. Hans Mayer vor
Betrand Lavier "Les grands transparents" (détail) auf seinem Stand auf der Art Cologne 2012
©
Burkhard Maus
Mayer ist kein Programmgalerist, kein Entdecker,
beileibe kein Avantgardist. Zu sehr schätzt er das Attraktive, Affirmative, den
Knaller, als daß er jeder ausgemergelten, angestrengten Tendenz nachliefe. Noch
immer kommt kein schlechtes Wort über Kollegen oder die Usancen auf dem
Kunstmarkt über seine Lippen: schlechtes Gerede verdirbt das Geschäft.
Auf seinen Vernissagen tummeln sich seit jeher die
Schönen und die Reichen, die sich hier frei fühlen dürfen vom Zwang, ihr Licht
unter Anderleuts Scheffel stellen zu müssen. Schließlich lebt von ersteren die
Party und von zweiteren die Galerie.
Keineswegs zufällig also fand Hans Mayer 1969 nach
Düsseldorf, der Stadt, der man damals in Westdeutschland noch am ehesten
Glamour zutrauen konnte. Schwerindustrielle, Werbemanager, Modemachen und
Künstler liefen sich hier über den Weg und bald dem Galeristen Mayer die Tür ein. Er erfand, weil es pro
Ausstellung nur eine Vernissage gibt, die Finissage und ließ sich die Erfindung
gleich patentieren. Keinesfalls zufällig fand Mayer zu Andy Warhol, den Pop-Künstler,
der die Strategien der Werbung für seine Kunst zu nutzen verstand. Keineswegs
zufällig trafen sich Joseph Beuys und Warhol in seiner Galerie zu ersten Mal –
und lernten sich lebenslang schätzen. Kein Zufall, daß Nam June Paik zu einem zentralen
Künstler der Galerie wurde – von 1989 bis heute. Noch auf der letzten TEFAF in
Maastricht zeigte Mayer drei große Videoinstallationen des genialen Erfinders
der Medienkunst. Mayers Vorliebe für außergewöhnliche Auftritte, seine
Nonchalance und Unerschrockenheit im
Umgang mit Glanz und Glamour macht große Auftritte wie die von Helmut Newton
und Peter Lindbergh möglich. Newton zeigt bei Mayer seine skandalträchtigen Nudes, Lindberg seine Supermodels. Der Duisburger Lindbergh
hatte bei Mayer in den siebziger Jahren gejobbt, bevor er seine internationale
Karriere als Modefotograf in Paris startete.

Supermodels. Peter Lindbergh und Hans Mayer bei der Auswahl
Zum 40. Galeriejubiläum erfüllte sich Hans Mayer
einen Traum. Er lieh sich sein Museum zusammen und stellte es in der
Langen-Foundation aus: 40 Werke von Hans Arp, Carl Andre, Sol Lewitt, Jean
Michel Basquiat, Brancusi, Yves Klein, Martin Kippenberger, Robert
Rauschenberg, Dan Flavin, Mark Rothko, Richard Serra zu Barnet Newmann und
Kasimir Malewitch. Natürlich war Andy Warhol mit von der Partie. Das Portrait von
Marianne Langen schmückte die Schau ebenso, wie ein Werk aus Warhols letzter
Serie "The last supper".
Die Jubiläumsschau zeigte auch Mayers Distanz zur
Düsseldorfer Künstlerszene. Die teilt er übrigens mit Werner Schmalenbach. Als
der Schwabe Mayer seine Galerie in Düsseldorf eröffnet, waren die Claims schon
abgesteckt. Schmela und Fischer und eine Handvoll Galerien in deren Gefolge hatten die Künstler
der Kunstakademie längst an sich gebunden. Mit einer späten Ausnahme: Nam June
Paik.

Mayers Messestand im Pariser Grand Palais ,it werken von Jean Tinguely und Nam June Paik
Kein Wunder auch, daß es die Galerie über fünf
Jahrzehnte lang geschafft hat zu bestehen. Bescheidenheit ist Mayers Zier und
Größe, der Rest war ein gehöriges Stück Arbeit und nicht zuletzt Demut vor der
Kunst seiner Tage.
Anfang
in Esslingen
In Esslingen, fernab aller Kunstzentren eröffnete
Hans Frieder Mayer (*1940 in Ulm) knapp fünfundzwanzig Jahren alt, seine
Galerie in einem umgebauten Sarglager.
Niemand Geringeren als den Großmeister der Konkreten
Kunst hatte für seine erste Ausstellung in der tiefen Provinz gewonnen: Josef
Albers. Er schreib Albers einfach einen Brief nach Amerika, über fünfzig
Gemälde kamen tatsächlich an. Das war im April 1965 die Sensation. "Der
Verkehr brach zusammen" erinnert sich Hans Mayer lebhaft. 2000 Leute waren
gekommen. "Jedesmal wenn ich Eröffnung hatte, mußte ich die Polizei
verständigen". Um die Besucherströme zu lenken, ersann Hans Mayer die
"Finissage". Verkauft wurde so gut wie nichts.
Also machte sich Mayer zwischen Verni- und Finissage
mit dem VW-Bus auf die Piste und besuchte die Sammler in Wuppertal oder Den
Haag oder wo auch immer er sie aufspürte. Um „seinen Sammlern“ näher zu sein,
eröffnete Mayer schon bald in Krefeld auf dem Ostwall eine Dependance. Damals
die größte Galerie Deutschlands. Seinem Programm blieb er treu "Vom
Konstruktivismus zur Kinetik", hieß die Eröffnungsschau. Von Arp und Agam
über Bill, Calder, Malewitsch, Martin, Rickey, Soto, Tinguely bis Vasarely
reichte das Spektrum. Zur Eröffnung spielten "The Who". Zwischendurch
hatte sich Denise René aus Paris nach Esslingen auf den Weg gemacht, um sich
den jungen Kollegen näher anzuschauen. So kam es in Krefeld und ab 1969 auch in
der Düsseldorfer Altstadt, gleich neben Spoerris eat-art Galerie, zur allseits
gefürchteten Galeriefusion: Galerie Denise René Hans Mayer. Das op-art Imperium
schlug zu und war sich nicht zu schade, die Düsseldorfer Eröffnung Andy Wahrhol
zu überlassen. Der zeigte Suppendosen, Flowers und Kennedy und was Pop sonst
noch so unwiderstehlich macht. Die Pariser Künstler kannten nur Verachtung für
derlei amerikanische Umtriebigkeit.
Mit dem Pop-Art Star aus New York blieb Mayer in
Verbindung. Kein Wunder also, daß es in Mayers Galerie am Grabbeplatz 1979 zum
Gipfeltreffen von Pop-Art und Fluxus kam: Warhol traf Beuys. In Düsseldorf
wandelte sich Mayer vom Programmgaleristen zum Galeristen der Sammler.
"Ein Galerist kann keine Künstler machen", schätzt Mayer in aller
Bescheidenheit. "Künstler zu besitzen, hat mich nie interessiert. Der
Punkt ist, Kunst zu besitzen". Und freut sich, daß es ihm über fünfzig
Jahre lang gelungen ist, mit Bildern und Objekten, von denen er
"verführt" wurde andere zu verführen. Harald Falckenberg etwa hat bei
Mayer sein erstes Bild erworben. Mayer sah sich von Anfang an gezwungen,
international orientierte Kunstsammler zu gewinnen. Früh fand er Kontakt zu Konrad
und Gabriele Henkel, Viktor und Marianne Langen, kapitale Sammler wie Hoffmann,
Rosenkranz und Weishaupt.
Am Tag der Eröffnung der neuen Kunstsammlung NRW am
Grabbeplatz bezieht Mayer gegenüber ein geräumiges Ecklokal, das Max Bill 1971
ausgebaut. Das Kunstdreieck Grabbeplatz mit Kunsthalle, Kunstsammlung und
Galerie Hans Mayer wird zum Nabel des Kunstwunderlands NRW. Als die
Kunstsammlung endlich ihren Erweiterungsbau erhält und mit Joseph Beuys
eindrucksvoll eingeweiht, kehrt auch Hans Mayer an den Grabbeplatz zurück. Noch
größer als seine Galerie an der alten Ecke wird die neue, doppelstöckige
Galerie vis á vis der Düsseldorfer Kunsthalle. Den Innenausbau besorgt Danilo
Silvestri (München). Mit 410 Quadratmetern in bester Citylage wird die Galerie wieder
zur größten für zeitgenössische Kunst in Deutschland. Ein Bekenntnis zum Standort Düsseldorf.

Die Kunst des großen Auftritts. Galerie Hans Mayer auf der Art Cologne 2014
©
Burkhard Maus
Warum der umtriebige Mayer nun aber keine eigene
Sammlung aufbauen konnte, wie etwa die Kollegen Berggruen, Beyerle, Maenz oder
Fischer, liegt an seinem Enthusiasmus. In Ost-Berlin eröffnete er 1998 eine Dependance.
Das Wagnis mißlingt gründlich. in fünf Jahren nur zwei Bilder verkauft. Rückzug
und volle Kraft voraus. Der Kunstmarkt internationalisierte sich. Die
Kunstmärkte trumpfen auf. Als "Progressiver" hat er 1967 den Kölner
Kunstmarkt mitbegründet. In Basel ist er von Anfang an dabei. Inzwischen ist
Hans Mayer weltweit auf den sechs höchst dotierten Kunstmessen präsent. Stets
bestens plaziert, gehören seine Stände zu vielbeachteten Anziehungspunkten. Ausgerechnet
in dem Jahr, in dem ihm der Art Cologne-Preis zugesprochen wird, verliert er
auf der Kölner Messe seinen angestammten Platz. Das wurmt ihn dann doch.
C.F. Schröer
Götz Adriani anlässlich der längst
überfälligen Verleihung des ART COLOGNE-Preises an Hans Mayer
„…Wem sonst als Hans Mayer!“
halte ich mit großer Freude die
Laudatio auf den vortrefflichen, uns immer wieder in Erstaunen versetzenden
Kunstbewunderer, Kunstbeweger und Kunstermöglicher. Dass die ehrenvolle Aufgabe
mir anvertraut wurde, liegt wohl an der betagten Freundschaft, die mich mit
Hans, dem im Rheinland bestens assimilierten, schwäbischen Kosmopoliten
verbindet. Der von Ihnen zu Recht erwarteten Hommage an den Preisträger, werde
ich allerdings eine kurze Philippika voranstellen.
Von der Armseligkeit eines vulgären Reichtums und anderen Verwerfungen
Sie soll jene Auswüchse und Verwerfungen
eines glamourösen Kunstbetriebs zur Sprache bringen, die, wie ich fürchte, den
Kunsthandel in erheblichem Maße tangieren und im schlimmsten Falle zu ähnlichen
Vertrauensverlusten führen werden, wie wir sie gerade in der Politik, in Teilen
der Gesellschaft und angesichts der Delikte des Gutmenschen Hoeneß im Sport
erleben. Bekanntlich häufen sich die Skandale um Kunstspekulanten, Kunstberater,
Kunstsammler und Kunsthändler, um Kunsthistoriker, Kunstfälscher, Kunstdiebe,
sowie nicht zuletzt um dubiose Kunstverkäufe hier im Lande. Ungebremst
unterminiert die Gier nach Werten unsere Wertesysteme. Megahändler und global
agierende Auktionsgiganten sind die Profiteure einer neureichen, milliardenschweren
Klientel, die selbst billigste Kunst zur teuersten Offerte werden lässt. Die
Armseligkeit eines vulgären Reichtums macht die von der Presse genüsslich
aufgesogenen Rekordsummen zu alleinigen Qualitätsfaktoren und begehrten
Statussymbolen. Mittlerweile ist die zeitgenössische Kunst, für deren radikale
Errungenschaften wir uns stark machten, en vogue wie nie zuvor. Zur Unterhaltungsgröße
verharmlost wurde sie zum massentauglichen Bestandteil jenes Smalltalks, der
den kritischen Diskurs weitgehend ersetzt hat. Haben wir das gewollt und ließen
wir zu, dass die faszinierenden Erkundungen der Künste auf dem besten Wege sind
zu Anlagemodellen und Lifestyle-Accessoires einer von Kunstkenntnis unbehelligten
Schickeria zu verkommen?
Unter den Scharlatanen, die im
Bannkreis der Kunst ihr Unwesen treiben, schießt der Bilderfälscher Beltracchi den
Vogel ab. Momentan als freischaffender Freigänger unterwegs, entpuppt er sich zum
gerissenen Medienprofi, der nicht nur in Talkshows das große Wort führt. Namhafte
Blätter wie die FAZ oder Die ZEIT hofierten den Kriminellen und feierten
ausführlich dessen bescheidene autobiografische Ergüsse. Welcher Kunstkritik, die ihren
Namen verdient und welcher ernstzunehmenden Berichterstattung ist jemals eine
solche mediale Aufmerksamkeit zuteil geworden? Doch nicht genug der
Peinlichkeiten. In einer fünfteiligen – ich betone fünfteiligen – Serie des Bildungskanals 3sat
produzierten sich vor kurzem sogenannte Kulturschaffende wie Harald
Schmidt, die fürstliche Gloria, der Dichter Kehlmannoder der Schauspieler Walz
ziemlich unbedarft als Kunstkenner beziehungsweise als
Claqueure Beltracchis, dessen
vermeintlichem Können sie allesamt recht töricht auf den Leim gingen. Auch der bis zu
seiner Inhaftierung im Düsseldorfer Klüngel pompös etablierte
Pseudo-Kunstberater Achenbach ging, von bestallten Kunsthistorikern willfährig
unterstützt, mit bemerkenswerter krimineller Energie vor. Um auf großem Fuß paradieren zu
können, trat der gewiefte Ratgeber das Zutrauen der von ihm Beratenen mit Füßen.
Der vom Sozialarbeiter zum Kunst- und Restaurantbetreiber mutierte, ja
zum Fußballpräsidenten gekürte Strippenzieher,
erklärte vor Gericht seine
Fälschungsmanöver beschönigend zu Collagen. Damit degradierte Achenbach das viel
gerühmte, von Werner Spies in die Kunstgeschichte eingeführte Prinzip der Collage,
höchst unrühmlich zum Prinzip dreister Rechnungsmanipulationen, die es
ihm erlaubten „collagierend“ Millionengewinne zu ergaunern.
Die beiden Betrugsaffären, ihre
fragwürdige Medienrezeption sowie die im Hauruckverfahren erfolgte
Monetarisierung zweier Hauptwerke Andy Warhols durch die nordrhein-westfälische
Landesregierung, mögen als Spitze des Eisbergs beispielhaft für eine Entwicklung stehen,
deren Machenschaften zunehmend aus dem Ruder zu laufen drohen. Ob und
in wie weit die Glaubwürdigkeit des seriösen Kunsthandels – und um ihn sollte
es nicht nur zur Stunde in erster Linie gehen – durch solche Exzesse und dem sich
daraus ergebenden Vertrauensschwund in
Mitleidenschaft gezogen wird,
vermag ich nicht zu beurteilen. Ich kann nur hoffen, dass meine Befürchtungen
unbegründet sind.
ruhender Unruhepol
Jedoch all das betrifft Dich,
lieber Hans, der Du heute fast auf den Tag genau Dein 50-jähriges Galeristen-Jubiläum
begehst, nur am Rande. Ich brauchte freilich den düsteren Fond, um Deine
Lichtgestalt umso strahlender hervorheben zu können. Aber im Ernst. Auch in Zeiten
voller Krisensymptome und einer Marktbeschleunigung
ohnegleichen, bist Du ein ruhender
Unruhepol geblieben, der Maßstäbe gesetzt hat und mit Deinem jüngst erstellten
Galerieneubau nach wie vor setzt. Als passionierter Anwalt der Künstler zeigst Du
trotz mancher Engpässe stets ein enormes Durchhaltevermögen. Allein die
Tatsachen, dass Du zu den 21 Gründungsteilnehmern des von Hein Stünke und
Rudolf Zwirner 1967 ins Leben gerufenen Kölner Kunstmarktes gezählt hast, dass Du diesem ersten Kunstmarkt überhaupt, der gerade zum 49. Mal
veranstaltet über 200 Anbieter vereint, selbst in schwierigen Phasen die Treue
hieltst, und dass Du seit 1970, den Anfängen der wichtigsten Kunstmesse in Basel,
dort alljährlich an prominenter Stelle im Zentrum des Geschehens die erlesensten und
fantasievollsten Messestände inszenierst,
sprechen für sich. Außer in Köln,
Basel und Düsseldorf, nimmst Du regelmäßig an den Messen in Paris und Madrid, in
Mailand, Chicago oder Miami, in Hongkong und Shanghai teil. Es scheint als sei
die kräftezehrende Messefrequenz für Dich ein unerlässliches Lebens- und
Überlebenselixier. Ich wüsste niemand, der Dir diesbezüglich gleichkäme.
International vernetzt, hat sich
der vom Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler Geehrte um den
Kunsthandel in Deutschland verdient gemacht. Dass er dabei nicht schlecht verdiente,
sei dem Kaufmann unbenommen. Der finanzielle Verdienst ist freilich nur ein
Aspekt. Andere und meines Erachtens wesentlichere,
sind Dein Ideenreichtum und Deine
Spontanität, Deine Begeisterungsfähigkeit und Großzügigkeit sowie das Talent
Freunde und Partner zu gewinnen. Stets bliebst Du der unangepasste
Überzeugungstäter, der famos zwischen den wahren Werten der Kunst und deren Warenwerten zu
agieren vermochte, ohne das Eine mit dem „h“ durch das Andere ohne das „h“ aus
den Augen zu verlieren. Auf Deinen untrüglichen Blick ist genauso Verlass wie auf
das sichere Kalkül in Bezug auf ein stimmiges Verhältnis von Kunst und Preis.
Dem Idealbild des Kunsthändlers als diskreter Vermittler sowie als Initiator,
der daran interessiert ist seinen Künstlern zur Reputation zu verhelfen, kommt
Hans ausgesprochen nahe. Unbestritten ist er einer jener, die durch ihren
Pioniergeist und ihre Risikobereitschaft die neuste Kunstgeschichte mitgeschrieben
haben. Verglichen damit sind wir Kunsthistoriker
gerade mal in der Lage
vorgenommene Weichenstellungen nachzuvollziehen. Die Kunstwissenschaft muss sich damit
abfinden, dass sie am Fortgang der Moderne nur sporadisch beteiligt war und das
weite Feld der Kunst vornehmlich Sammlern und Händlern überlassen hat. Zu
Letzteren gehörten im vergangenen Jahrhundert bahnbrechende Persönlichkeiten von
Vollard und Kahnweiler in Frankreich bis zu Leo Castelli oder Sidney Janis im
New York der 1960er Jahre. Du Hans, stehst in dieser Traditionslinie, zumal Du
Dich beachtliche fünf Jahrzehnte äußerst
konsequent und kompetent behauptet
hast, und das auf hohem künstlerischen Niveau.
Viele der mehr oder weniger schwer
zugänglichen Wege zu Erfolg und Anerkennung gingst Du zusammen mit Stephanie,
die Dich auf zahllosen Höhenzügen aber auch durch manche Talsenken begleitet
hat. Zugleich sind Max und Marie auch in unternehmerischer Hinsicht die
nachfolgende Generation einer intakten Familie, welche für Hans, den
Familienmenschen par excellence, zum Inbegriff geworden ist. Die von ihm arrangierten
Festivitäten mitsamt ihrer Gastfreundschaft sind legendär, seine Kunstauftritte spektakulär.
Dagegen kommt sein persönliches Auftreten sympathisch leise daher. Hans gibt
sich eher zurückhaltend, als die dezent im Hintergrund wirkenden Eminenz, die
jedoch alles andere als grau ist. Er hat es nicht nötig aufzutrumpfen und den großen
Zampano vorzutäuschen, wie es häufig in seinem Metier beziehungsweise
unter lauthals Geltung suchenden Künstlern oder
sich kunstgleich gerierenden
Kuratoren der Fall ist. Auch wenn es Dir, wie ich vermute, contre coeur geht, hier und heute stehst Du im Mittelpunkt des
Interesses und sämtliche Festivitäten und
Laudationes drehen sich einzig und allein um Dich. Während ich als Historiker die
Auseinandersetzung mit der Gegenwart auch als ein Resultat der Beschäftigung mit der
Vergangenheit verstehe, bewundere ich an Hans mit welcher Offenheit er
Intuitionen aus dem schnellen Augenblick schöpft und dabei zum Zeitgenossen schlechthin
avancierte. Niemals scheute er davor zurück die Grenzziehung zwischen High und Low
zu durchbrechen und seinen Kunstbegriff im Sinne von Beuys durch Musik, durch
Rock und Pop, durch Literatur, Theater und Tanz, durch Architektur,
Fotografie, Design und Mode interdisziplinär zu erweitern. Er selbst bezeichnete sich als Makler
des Cross-over.
Seine Ausstellungsinszenierungen
zeigen ihn genauso als Meister seines Fachs, wie die Urheberschaft von Events,
die zwischen künstlerischen und gesellschaftlichen Belangen vielfältig oszillieren.
Erinnert sei nur daran, dass Hans im Musikbereich seit Jahrzehnten die Gruppe Kraftwerk
begleitete und mit ihr 2011 die hinreißende Neufassung der traditionsreichen
Galerie am Grabbeplatz feierten, dass bei seinen Eröffnungen The Who und die Small
Faces spielten, dass er 1972 Konzerte mit Steve Reich durchführte und 1965
der Musik von John Cage ein Forum bot.
Unvergessen ist, dass er Phil
Glass-Aufführungen organisierte, 1988 Gastgeber von La Monte Young war und Max Raabe
frühe Auftritte ermöglichte. Eine Sternstunde der Kunstgeschichte und eine gesellschaftliche
Begebenheit sondergleichen gelang Dir 1979, als bei einer
Warhol-Ausstellung in Deiner Galerie Joseph Beuys dem amerikanischen Kollegen die Ehre
erwies und die beiden Antipoden freundschaftlich miteinander umgingen – ein
Zusammentreffen übrigens, das Warhol zu eindrucksvollen Beuys-Porträts
veranlasste.
über 350 Ausstellungen in 50 Jahren
Die alte Reichsstadt Ulm hat in
ihrer jüngeren Geschichte sowohl Albert Einstein, als auch Hans Mayer und die Hochschule
für Gestaltung hervorgebracht. Unter der Leitung von Max Bill prägte sie den
Lebensentwurf und das ästhetische Vermögen des gelernten Industriekaufmanns,
der, von dem Kunstkritiker Schulze Vellinghausen animiert, umsattelte und vor genau
50 Jahren und sechs Tagen, das heißt am 10. April 1965, seine
Galeristenkarriere in der Esslinger Bachstraße 32 begann. Er tat dies freilich nicht sang- und
klanglos irgendwo in einem Hinterhof, sondern wie es seine unnachahmliche Art ist,
gleich fulminant mit einer Schau des damals in Deutchland nahezu vergessenen,
ehemaligen Bauhauslehrers und Dozenten an der Ulmer Hochschule Josef Albers. Mit
dieser „umfangreichsten Albers-Ausstellung, die je auf unserem Kontinent zu sehen
war“, wie die Frankfurter Rundschau begeistert berichtete, sowie einem John
Cage-Eröffnungskonzert war die Latte hoch gelegt und wurde in den fünf Jahrzehnten
danach kaum einmal gerissen. Von Anfang an war es das Anliegen des Neulings seine
Ausstellungen und Vernissagen zu Ereignissen zu machen. Selbstbewusst trat er auf
und leistete in seiner (op) art galerie Pionierarbeit. Dabei übernahm er als einer der
ersten den unmittelbar zuvor in der Ausstellung The responsive eye im Museum of Modern
Art aus der Taufe gehobenen Begriff der Op- Art. Nach Albers präsentierte der
Junggalerist in Esslingen Ausstellungen zu Bill, Calderara, Graubner, Gerstner oder
Graeser. Als Eröffnungsredner wurden Koryphäen wie Schulze
Vellinghausen, Bense, Heißenbüttel, Gomringer oder Bode engagiert. Auch war Hans seiner
Zeit voraus als er Julian Beck und Judith Malina, die Protagonisten des New Yorker
Living Theatre, zur Eröffnung einer Le Parc-
Ausstellung einlud, als er den
Schauspieler Minetti zu einer Lesung bat oder bei einer Alviani-Vernissage eine
Modenschau zeigte. Esslingen und die heimische Presse standen des Öfteren Kopf.
Denn man kann sich kaum mehr vorstellen, welchen schweren Stand die derzeit
so inflationär verbreitete zeitgenössische Kunst in den bundesrepublikanischen
1960er Jahren hatte. Kunstwerke, die heute Millionenwerte darstellen, von
Restauratoren-Teams mit Argusaugen überwacht werden, die unter Polizeischutz
mit luftgefederten Großraumtransporten, in Klimakisten verpackt und auf
sämtlichen Routen von Kurieren begleitet unterwegs sind, diese Werke transportierte
Hans einst in seinem klapprigen VW-Bus durch die westdeutschen Lande, in der vagen
Hoffnung einen Kunden dafür zu gewinnen. Damals gab es im Südwesten der
Republik weder Sammler wie Burda, Froehlich, Weishaupt oder Würth, noch
Galerien von Rang. Der einzige, der Hans Mayer mit vergleichbarem Anspruch und kurzem
zeitlichen Vorlauf das Wasser reichen konnte, war im nahegelegenen Stuttgart
Hans Jürgen Müller. Informationen über und Hinweise auf die aktuelle,
internationale Kunstszene verdankte ich 1965 als Volontär
an der Stuttgarter Staatsgalerie
hauptsächlich den Galerien Mayer und Müller. Als zweite Station suchtest Du Dir
Krefeld aus, das im Gegensatz zu Esslingen, durch Paul Wember zu einem Mekka
der Avantgarde-Kunst geworden war. Dort fing Deine Zusammenarbeit mit Denise
René an, der renommierten Pariser Galeristin und Verfechterin konstruktiver und
kinetischer Tendenzen. Zwischen Paris und Krefeld wurden zahlreiche
Kooperationsprojekte entwickelt, bis dann Ende November 1971 Eure von Max Bill konzipierte,
aufsehenerregende Galerie am Düsseldorfer
Grabbeplatz eröffnet werden
konnte. In den zur Institution gewordenen Räumlichkeiten hast Du über die
Jahre hinweg mit grandiosen Ausstellungsfolgen und glanzvollen Eröffnungsevents
all das umgesetzt, was Du Dir in Form eines Musée imaginaire erdacht hattest.
Wenn man die Namen der von Hans gezeigtenKünstler Revue passieren lässt,
gerät man ins Staunen. Mit Vantongerloo gabst Du in Düsseldorf den Startschuss,
dann kamen im Laufe der 1970er Jahre Ellsworth Kelly, Mondrian, Arp, Calder,
Uecker, Kricke, Mack, Yves Klein, Bill Beckley, Andy Warhol und Beuys. In den 1980ern
und 90ern sind es, um nur einige zu nennen, Newton, Wesselmann, Rauschenberg
und Lichtenstein, Basquiat, Hopper oder Haring, die bei Dir zumeist ihre
Deutschlandpremieren hatten. Ihnen schlossen sich bis dato Künstlergrößen wie Gehry,
Paik, Lindbergh und Longo, Caro, Flanagan, Willikens, Klauke, Markus Oehlen
und andere Prominenz an. Wahrlich eine Blütenlese an Künstlern, denen Du
seit 1965 über 320 Ausstellungen gewidmet hast.
Eng mit Deiner Lebensgeschichte
und Deinem Lebensstil verknüpft, spiegeln sie Deine Interessen an
konstruktivistischen und geometrischen Stilformen, an Op- und Pop-Art, an Medien- oder
Videokunst, sowie an Performance und Fotografie. Dass Düsseldorf nach dem 19. auch in
der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einer
veritablen Kunstmetropole gedieh,
lag an einer imponierenden Anzahl von Künstlerindividuen, die mitunter
von Alfred Schmela gefördert, in der Stadt aktiv waren, es lag an einer zeitweise
florierenden Kunstakademie und es bedurfte jener Galerieaktivitäten Hans Mayers,
die den Namen Düsseldorf in die Kunstwelt hinaustrugen und im Gegenzug dazu
die Kunstwelt in Düsseldorf willkommen hießen.
Der viel beschworene Hans im
Glück, hatte das Glück, dass im Geiste seines Musée imaginaire 2007 in der Heimatstadt
Ulm ein Museum eröffnet wurde. Zu verdanken ist es den leidenschaftlichen
Kunstsammlern Siegfried und Jutta Weishaupt, die es zwischen Münster und Rathaus
errichten ließen, um in wechselnden Präsentationen
aktuelle Kunst zeigen zu können.
Die Sammlung Weishaupt kam in enger Verbindung mit Dir zustande und
ist ein Musterbeispiel für das auf Freundschaft und Vertrauen basierende, kongeniale
Zusammenwirken eines ungemein bewanderten Sammlerehepaars und eines
versierten, sachkundigen Händlers.
Cars - Warhols letzte Bildserie wird auseinandergerissen
Das Vertrauensverhältnis, das Du
zu Deinen Sammlern und Künstlern in langenZeiträumen beharrlich aufgebaut
hast, führte im Falle Andy Warhols zum exzeptionellen Bilderzyklus Cars.
Ihn schuf der Künstler 1986 zur 100-jähringen
Wiederkehr der Erfindung des
Automobils für die Daimler-Benz AG in Stuttgart. Dass diese letzte Bildserie Warhols,
die in der Kunsthalle Tübingen Anfang 1988 ihre Premiere hatte, inzwischen durch
Einzelverkäufe willkürlich auseinandergerissen und zu Geld gemacht wurde, ist die
mehr als beschämende Seite der von Dir und Hans
Baumgart initiierten
Erfolgsgeschichte. Dabei befremdet, wie inkompetent im Hinblick auf die Kunst und wie fahrlässig
der Firmenhistorie gegenüber, die für den Kunstbesitz Verantwortliche im
offenbar bedürftigen Weltkonzern mit den Werken des Weltstars umging.
Von 1965, als Hans die
Galeristentätigkeit in einem ehemaligen Sarglager aufnahm, bis heute, als er nach eigener
Aussage „quasi neben dem Sarg von Jan Wellem“, dem kurfürstlichen Großsammler seinen
Galerieneubau platzierte, steht der Name Hans Mayer nicht etwa für
Nekromantie sondern synonym für Qualität und Originalität. Vielseitig
interessiert und engagiert, sprichst Du die Sprache des Käufers wie auch die des Verkäufers, Du
verstehst die Idiome Deiner Künstler und hörst auf die Wünsche und Vorstellungen der
Kunden. Kurz, es gelingt Dir in allen Lebenslagen und auf allen
Sprachebenen zu überzeugen, wobei Du weniger auf rhetorische Usancen baust, als
vielmehr auf ein hohes Maß an Wissen und Können. Deine elegante, jugendliche Art
lässt kaum vermuten, dass Du zum Urgestein des
Kunsthandels zählst, ja, dass es
bei genauerem Hinsehen nur wenige gibt, die sich mit Dir an Neugier,
Innovationskraft und Erfahrung messen können. Umso erstaunlicher ist es, dass Hans
Mayer erst jetzt in den Genuss jenes KölnerKunstpreises kommt, der neudeutsch
und auf Augenhöhe zum Eau de Cologne, ART COLOGNE-Preis heißt.
Ich wünsche Dir und uns, dass Du
noch lange am Puls der Zeit agierst und voller Elan die Szene belebst. Bleibe
auch fortan der risikofreudige Entdecker, welcher der Fährte des Neuen und
Beunruhigenden nachspürt. Sei wie bisher der An- und Aufreger, der uns mit seinem
„super“ beglückt, und beherzige weiterhin das von Dir verkehrte und verehrte Valentin-Motto
„Kunst macht Arbeit, ist aber schön“. Offensichtlich hat sich die Arbeit
gelohnt, das vielfache Gelingen in 50 Jahren ist Beweis genug und gibt Dir Recht.
Das Loblied, das ich auf den
junggebliebenen guten alten Freund anzustimmen suchte, soll mit jener Widmung
ausklingen, mit der Hölderlin ein Exemplar seines Romanfragments Hyperion versehen
hat. Sie lautet kurz und etwas schwäbisch: „Wem sonst als Dir.“ Wem sonst als
Dir, lieber Hans, dem großartigen Galeristen, dem weltweit aktiven Händler und
wunderbar anregenden Weggefährten gebührt dieser singuläre Kölner Kunstpreis
– wem sonst als Hans Mayer!
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