Wundervolle Parkerweiterung
Tony Craggs „Waldfrieden“ wächst um Hektar, Hallen und Himmelstürmer
Bekannte Gestalten, gemischte Gefühle. Mixed Feelings 2011, by Tony Cragg
Anthony Cragg läßt sich als ein dynamischer Mensch begreifen. Wir stellen ihn uns als einen Mann vor, der ständig in Bewegung ist und aus dieser Bewegung heraus (keineswegs aus dem Handumdrehn) Allerhand in Bewegung versetzt. Eben erst hatte er die überhaupt größte Bildhauerausstellung aller Zeiten in Düsseldorf “Die Bildhauer“ in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen initiiert und eingerichtet, schon sehen wir ihn zur Eröffnung seines um fünf Hektar und eine neue Ausstellungshalle (200 Quadratmeter Grundfläche, sieben Meter Deckenhöhe) erweiterten Skulpturenparks „Waldfrieden“ eilen.
Craggs Skulpturenpark ist einzigartig in Deutschland. Er wird durch die Cragg-Foundation in privater Trägerschaft betrieben. 30.000 Besucher fanden bisher den geschlungen Weg hinauf in den „Waldfrieden“. Nebenbei und doch hauptberuflich ist Tony, wie alle Welt ihn freundlich nennt, Bildhauer und betreibt als solcher ein Atelier in mehreren ehemaligen Militärhallen, in der ganz nach Auftragslage schon mal 20, 30 oder auch mehr Mitarbeiter schaffen. Dazu ist er Kunstprofessor an der Kunstakademie Düsseldorf, wo seine Klasse zu den stärksten zählt. Das Rektorenamt hat er allerdings kürzlich an Rita McBride abgegeben, um sich mehr seinem Skupturenpark oberhalb seiner Wahlheimat Wuppertal widmen zu können. Erst vor fünf Jahren konnte Tony Cragg das wundervolle Waldgelände mitsamt anthroposophisch gewundener Villa und revitalisiertem Park als seinen eigenen Skulpturenpark eröffnen. Schon hat der Unentwegte eine weitere, dritte, elliptische Ausstellungshalle in Auftrag gegeben, die schon 2015 fertig stehen soll.
Dynamik ist, laut Duden, die Lehre vom Einfluß der Kräfte auf die Bewegungsvorgänge von Körpern. So dynamisch Cragg selbst erscheint, so sehr hat er in den letzten Jahren auch seine Arbeit als Bildhauer ins Dynamische versetzt. Das Fließende oder Fliehende, die Bewegung hin zu oder fort von ist zum einem Erkennungszeichen seiner großartigen Skulpturen geworden.
Dauerwelle aus Edelbronze
Nun läßt sich ein Künstler wie Cragg sicher nicht aus einem Blickwinkel, aus einem Prinzip heraus erkennen. Als Bildhauer ist er der Schwerkraft verhaftet, der Stabilität und Dauer. Bereits seit 1977 ist er, 1949 in Liverpool geboren, über Stationen der Ausbildung und Lehre in London und Metz, nach Wuppertal gekommen - und ist geblieben.
Craggs künstlerisches Werk entfaltet sich also seit 25 Jahren von Wuppertal aus in vielen überraschenden Wendungen und Aspekten, stellt sich den Fragen der modernen Bildhauerei und ist sich doch treu geblieben (Gespräch mit Tony Cragg). Mit Aufnahme der Arbeiten zum Projekt „Waldfrieden“ läßt sich eine Hinwendung zur Außenskulptur erkennen. Einige großartige Beispiele seines Schaffens hat Cragg auf seinem weitläufigen Hang platziert, darunter Dancing Colum aus Sandstein, To the Knee aus Kortenstahl, die dreigliedrige Gruppe Points of View und auch Caldera aus Bronze, oder Distant Cousin aus poliertem Edelstahl.
Parallel zum Ausbau des Parks umfasst die Dauerausstellung inzwischen 15 Werke anderer, befreundeter Bildhauerkollegen, so von Norbert Kricke, Richard Deacon, Eva ildHild, Hild, Bogomir Ecker, Markus Lüpertz, Tatsuo Miyajima, Wilhelm Mundt, Jonathan Monk, William Tucker oder Thomas Schütte dessen über vier Meter hohe Bronze „Vater Staat“ ehrfurchtgebietend auf die Villa blickt. Schütte selbst hat nach Craggs Vorbild eine eigene Stiftung gegründet und plant eine eigene Halle mit Außenskulpturen auf einem Terrain nahe der Raketenstation in Neuss.
"Vater Staat" unter Magnolie an Villa
In der neuen Halle kommt nun es allerdings zu einem erstaunlichen Zusammentreffen zweier Bildhauer und Bildhauergenerationen, das zeigt, wie weit und offen sich der Bildhauerhorizont Craggs immer noch zeigt. Eine wundervolles Steingelege des Britischen Künstlers Richard Long (Jhrg. 1945) begegnet hier einer Arbeit von Andreas Schmitten (geb. 1980 in Mönchengladbach), der erst im vergangenen Jahr als Meisterschüler von Georg Herold sein Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie beendete. Schmittens minimalistische, begehbare Leuchtstoffröhrenarbeit „Requisit in Grün“ – und das ist eine Leistung an sich - behauptet sich mühelos gegenüber dem Schwergewicht Long. Zwischen diesen beiden Positionen, Land Art und Baumarktminimalismus, spannt sich der neue Kosmos in „Waldfrieden“. Der Blick geht durch die große Fensterwand nach draußen ins hügelige Gelände, den Hangwald mit den vielen Solitären, dem Gingko, den Ahorn, Linden, Kastanien, Eichen, Lärchen und Rotbuchen und den „Mixed fellenings“, dem „Ferryman“ und „Bulb“, der an einer scharfen Kurve gleich eingangs zuzwinkert.
Neue Halle in "Waldfrieden". Steinkreis von Richard Long (im Vordergrund) vor Andreas Schmitten
Zwiegespräch zweier Bildhauer: Schmitten trifft Long
In Craggs Skulpturenhimmel unter den Baumkronen ist die Wahrnehmung der Kunst in die Naturwahrnehmung eingebunden und nicht von ihr zu trennen. Es gibt keine Konkurrenz unter den schrägen Schönheiten und ehrwürdigen Baumriesen, auch ist die Natur hier nicht bloß Kulisse für die Stars aus Bronze und Eisen. Es ist eher ein Zusammenspiel und einander Bedingen, das hier in ein Gleichgewicht versetzt wird. Eine Balance, die sich gezielter Dynamik verdankt.
Carl Friedrich Schröer
Der erweiterte Skulpturenpark Waldfrieden wird am 20. bis 22. September eröffnet. Am Samstag gibt es ein „Wandelkonzert“ 15 bis 18 Uhr.
Öffnungszeiten März bis November 10 -18 Uhr
Andreas Schmitten stellt aus:
Schloß Reuschenberg – Kunstinitiative Wurzeln und Flügel e.V.,
Gerhard-Hoehme-Allee, 41466 Neuss
28. und 29. Sept., 12 bis 18 Uhr
Kunstsammlung NRW – Schmela Haus, Eröffnung 14. Okt.
Andreas Schmitten hat sein Atelier auf dem Gelände der Hans-Peter-Zimmer-Stiftung/Weltkunstzimmer in Düsseldorf
21.09.2013 10:37 (Kommentare: 0) | Weiterempfehlen
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