Stichwort Architektur
Aldo van Eyck
Unbestritten ist Aldo van Eycks Galeriehaus Schmela eine Inkunable der europäischen Architektur des 20. Jahrhunderts. Sie hat sich in die Düsseldorfer Altstadt eher verirrt und stellt dort ein Unikum dar. Der von außen unscheinbare Bimsbetonsteinbau ist nicht nur das erste Galeriegebäude der Bundesrepublik, er ist überhaupt das einzige Beispiel des einst international gefeierten Strukturalismus in Deutschland. Van Eyck (1918 Driebergen - 1999 Amsterdam) sah es in den Jahren nach dem Ende des 2.Weltkriegs als geboten an, die Architektur erneut als Teil des Universums der bildenden Künste zu verstehen (so sein Plädoyer auf dem 6. Kongreß der CIAM 1947).
Van Eyck wurde zum Gründervater und intellektuellen Zentrum der strukturalistischen Architektur, die sich rund um die Zeitschrift Forum bildete. In Anlehnung an die Forschungen von Claude Lévi-Strauss, der sprachliche, soziale und bauliche Grundstrukturen hinter sämtlichen kulturellen Prozessen vermutete und solche “urmenschlichen” Verhaltensmuster zu ergründen suchte, wollten junge Architekten des Team X den Rationalismus überwinden, um “Archeformen” und “labyrinthische Ordnung” miteinander zu verbinden. Das läßt sich erstaunlich gut an dem schmalen, fünfstöckigen Reihenhausbau in der Düsseldorfer Altstadt ablesen.
Es bleibt das Verdienst Alfred Schmelas, diesen bedeutendem Architekten mit dem Bau seines Galerie- und Wohnhauses (Gesamtfläche 378 qm, davon 103 qm Ausstellungsfläche und 171 qm Maisonettewohnung) beauftragt zu haben. Van Eyck war als Planer von Kinderspielplätzen und dem städtischen Waisenhaus in Amsterdam (1955-60) hervorgetreten. Schmela dürfte den niederländischen Architekten durch seine Arbeit für die Ausstellung in Sonsbeek bei Arnheim kennen gelernt haben, wo Van Eyck einen Skulpturenpavillon im Sinne der “konfigurativen Komposition” entwarf (1965-66, nach der Ausstellung abgerissen).
Dem brutalistischen Betonkubus der 1967 eröffneten Städtischen Kunsthalle (Beckmann und Brockes) widerspricht Van Ecks pluralistisch gegliedertes Galeriehaus an dessen Rückseite antagonistisch. Zwei gegensätzliche, doch herausragende Kunstbauten der Sechziger-Jahre Architektur haben sich hier erhalten.
C. F. Schröer
© Photographien: Achim Kukulies, Düsseldorf 2009
Lit: Aldo van Eyck: Het Verhaal van een Andere Gedachte. (Die Geschichte eines anderen Gedankens.) In: Forum 7/1959, mit holländischen, englischen und französischen Texten, Amsterdam und Hilversum. Für die Zeitschriften Forum 7/1959–3/1963 sowie die Extranummer Juli/1967 bestand die Redaktion aus Aldo van Eyck, Herman Hertzberger, Jaap Bakema und anderen.
20.06.2011 07:45 (Kommentare: 0) | Weiterempfehlen
Einen Kommentar schreiben