Die andere Ecke
- Neuralgische Punkte. Hans, Max und Marie. Die Galerie Mayer Familienstory, next generation
„Das wird geil”, schwärmt Hans Mayer. Am 10. September will er seine neue Galerie eröffnen. Nach drei Jahren in der Diaspora in einem Industriegebiet am Stadtrand, kehrt die Galerie Hans Mayer wieder in die Düsseldorfer City zurück. Alle erwarten sich ein Fest.
Der letzte legendäre Großmeister der Düsseldorfer Galerien kehrt an seine alte Wirkungsstätte zurück. Noch ist Baustelle. Nach allerhand baulichen Komplikationen und über einem Jahr Verzögerung lassen sich die Dimensionen der neuen Galerie Mayer erkennen: 270 qm unten, nochmals 140 qm darüber, Deckenhöhe 4,50 Meter. „Aufregend”, kommentiert Mayer, der letzte Stargalerist, der dem Rheinland treu geblieben ist.
In Esslingen, fernab aller Kunstzentren eröffnete Hans Frieder Mayer (*1940 in Ulm) mit knapp fünfundzwanzig Jahren seine erste Galerie in einem umgebauten Sarglager. Niemand Geringeren als den Großmeister der Konkreten Kunst hatte für seine erste Ausstellung in der tiefen Provinz gewonnen: Josef Albers. Das war im April 1965 die Sensation. “Der Verkehr brach zusammen” erinnert sich Hans Mayer lebhaft. 2000 Leute kamen. “Jedesmal wenn ich Eröffnung hatte, mußte ich die Polizei verständigen”. Um die Besucherströme zu lenken, ersann Hans Mayer die “Finissage”- und ließ sich Begriff wie Erfindung urheberrechtlich schützen. Verkauft wurde so gut wie nichts. Also machte sich Mayer zwischen Verni- und Finissage mit dem VW-Bus auf die Piste und besuchte die Sammler zwischen Wuppertal und Den Haag.
Um seinen Sammlern näher zu sein, eröffnete Mayer schon bald in Krefeld auf dem Ostwall eine Dependance. Damals die größte Galerie Deutschlands. Seinem Programm blieb er treu “Vom Konstruktivismus zur Kinetik”, hieß die Eröffnungsschau. Von Arp und Agam über Bill, Calder, Malewitsch, Martin, Rickey, Soto, Tinguely bis Vasarely reichte das Spektrum. Zur Eröffnung spielten “The Who”. Zwischendurch hatte sich Denise René aus Paris nach Esslingen auf den Weg gemacht, um sich den jungen Kollegen näher anzuschauen. So kam es in Krefeld und ab 1969 auch in der Düsseldorfer Altstadt, gleich neben Spoerris eat-art Galerie, zur allseits gefürchteten Galeriefusion: Galerie Denise René Hans Mayer. Das op-art Imperium schlug zu und war sich nicht zu schade, die Düsseldorfer Eröffnung Andy Warhol zu überlassen. Der zeigte Suppendosen, Flowers und Kennedy und was Pop sonst noch so unwiderstehlich macht.
Mit dem Pop-Art Star aus New York blieb Mayer in Verbindung. Kein
Wunder also, daß es in Mayers Galerie am Grabbeplatz 1979 Gipfeltreffen
von Pop-Art und Fluxus kam: Andy Warhol traf Joseph Beuys. In Düsseldorf
wandelte sich Mayer vom Programmgaleristen zum Galeristen der Sammler.
“Ein Galerist kann keine Künstler machen”, schätzt Mayer in aller
Bescheidenheit. “Künstler zu besitzen, hat mich nie interessiert. Der
Punkt ist, Kunst zu besitzen”. Und freut sich, daß es ihm über vierzig
Jahre lang gelungen ist, die Bilder und Objekte, von denen er “verführt”
wurde, an andere Verführte weiterzugeben. Harald Falckenberg etwa hat
bei Mayer sein erstes Bild erworben.
Am Tag der Eröffnung der neuen Kunstsammlung NRW am Grabbeplatz bezog
Hans Mayer gegenüber ein geräumiges Ecklokal, das Max Bill 1971
ausgebaut hatte. Das Kunstdreieck Grabbeplatz mit Kunsthalle,
Kunstsammlung und Galerie Hans Mayer wurde zum Nabel des
Kunstwunderlands NRW. Endlich hat die Kunstsammlung ihren
Erweiterungsbau erhalten und mit Joseph Beuys eindrucksvoll eingeweiht,
endlich kehrt auch Hans Mayer an den Grabbeplatz zurück. Noch größer als
seine Galerie an der alten Ecke wird die neue, doppelstöckige Galerie
vis á vis der Düsseldorfer Kunsthalle werden. Den Innenausbau besorgt
Danilo Silvestri (München). Mit 410 Quadratmetern in bester Citylage
wird die Galerie Hans Mayer wieder zu einer der größten für
zeitgenössische Kunst in Deutschland. In einer Zeit der wirtschaftlichen
Unsicherheiten ein deutliches Bekenntnis zum Kunsthandel und ein
Zeichen des Vertrauens in den Standort Düsseldorf.
Warum der umtriebige Mayer nun aber keine eigene Sammlung aufbauen konnte, wie etwa die Kollegen Berggruen, Beyerle, Maenz oder Fischer, liegt auch an Mayers Enthusiasmus. In Ost-Berlin eröffnete er 1998 eine Dependance. Das Experiment mißlang, nach fünf Jahren mußte er aufgeben. Mayer wandelte sich abermals, den Zeitumständen dicht auf dem Fuß. Der Kunstmarkt internationalisierte sich. Die Kunstmärkte trumpften auf. Als “Progressiver” hatte er 1967 den Kölner Kunstmarkt mitbegründet. In Basel ist er von Anfang an dabei. Inzwischen ist Hans Mayer weltweit auf den sechs höchst dotierten Kunstmessen präsent. Stets bestens plaziert, gehören seine Stände zu vielbeachteten Anziehungspunkten.
Zum 40. Galerie-Jubiläum erfüllte sich Hans Mayer einen Traum. Er lieh sich sein imaginäres Mayer-Museum zusammen und zeigte es in der Langen-Foundation. 40 Werke von Hans Arp, Carl Andre, Sol Lewitt, Jean-Michel Basquiat, Brancusi, Yves Klein, Martin Kippenberger, Robert Rauschenberg, Dan Flavin, Mark Rothko, Richard Serra zu Barnet Newmann und Kasimir Malewitch. Natürlich war Andy Warhol mit von der Partie. Das Portrait der Sammlerin und Bauherrin Marianne Langen schmückte die Schau ebenso, wie ein Werk aus Warhols letzter Serie “The last supper”. Mayer sah sich von Anfang an gezwungen, international orientierte Kunstsammler zu gewinnen. Konrad und Gabriele Henkel fanden sich früh bei ihm ein, auch Viktor und Marianne Langen, dazu die Sammler Hoffmann, Rosenkranz und Weishaupt.
Die Jubiläumsschau im Sammlerhaus zeigte allerdings auch Mayers erstaunliche Distanz zur Düsseldorfer Künstlerszene und besonders zur Kunstakademie. Die teilte er wohl mit Werner Schmalenbach. Als der Schwabe Mayer 1971 seine eigene Galerie in Düsseldorf eröffnete waren die Claims schon abgesteckt. Schmela und Fischer und noch eine handvoll anderer Galerien hatten die Künstler der Kunstakademie fest an sich gebunden. Mit einer späten Ausnahme: Nam June Paik. Den New Yorker aus Korea zeigte Mayer erstmals 1989 - und zeigt ihn bis heute. Mayers Händchen für außergewöhnliche Auftritte, seine Unerschrockenheit gegenüber Ganz und Glamour machte auch große Shows von Helmut Newton und Peter Lindbergh möglich. Newton zeigte bei Mayer seine Nudes, Lindbergh seine Supermodels. Der Duisburger Lindbergh hatte bei Mayer in den siebziger Jahren gejobbt, bevor er seine internationale Karriere als Modefotograf in Paris startete.
Mit seinem offenen, internationalen Programm leistet Mayer der rheinischen Kunststadt unschätzbare Dienste. Er provoziert die Düsseldorfer Szene immer wieder mit aufsehenerregenden Ausstellungen auswärtiger Künstler. Das kann sie heute mehr denn je gebrauchen. Die Nabelschau am Grabbeplatz braucht dringend internationale Impulse.
eiskellerberg.tv sprach mit Hans Mayer auf der Art Basel 2010:
Schon zuvor wird Mayers Sohn Max (geb. 1986) seine neue Galerie eröffnen. Auch am Grabbeplatz. Allerdings als ein Ausstellungsreigen in sechs temporären Stationen übers Stadtgebiet verteilt. Im Juni wird Mayer jun. dann seine erste Ausstellung in eigenen Räumen in Flingern zeigen. Der junge Kölner Fotograf Jan Paul Evers (geb. 1982) macht dort den Anfang. Evers hatte zuletzt großen Erfolg mit seiner Arbeit “Modernismus fängt zu Hause an” in der Ausstellung „gute aussichten - junge deutsche fotografie” Haus der Photographie, Deichtorhallen, Hamburg.
Mayer jun. sucht eigene Wege. In der Karlsruher Südstadt betrieb er mit Erfolg den Projektraum „Mayerei“, derweil er noch Student der Kunstwissenschaft und Medientheorie an der Hochschule für Gestaltung (HfG) war (u.a bei den Professoren Wolfgang Ullrich, Beat Wyss, Boris Groys und Peter Sloterdijk). Sloterdijk hielt dort auch schon mal die Eröffnungsrede als Mischa Kuball seine Abschiedsausstellung „last order” initierte. Der Düsseldorfer Medienkünstler wechselte von der HfG an die Kunst- und Medienhochschule Köln. Ein weiterer Düsseldorfer ist Mayer von Karlsruhe her wohl bekannt: Gregor Jansen, damals Chefkurator des ZKM-Museums für neue Kunst, heute Direktor der Düsseldorfer Kunsthalle am Grabbeplatz. Zusammen mit Jansen kuratierte Mayer die zweiteilige Gruppenausstellung ,Once in a Lifetime‘. Die Kunsthalle kennt Max Mayer aus Kindertagen. Im Salon des Amateurs frönt er ab und zu seiner alten Leidenschaft: Plattenlegen.
Seine neue Leidenschaft heißt Julia Stoschek. Zusammen mit der Düsseldorfer Sammlerin trat er schon zum „bed in” in der Stoschek Collection auf. Zur Art Cologne (13. bis 17. April) wird Mayer jun. dort eine „Sonderpräsentation” vorstellen.
„Ein psycho-geographischer Plan” nennt Mayer programmatisch die Eröffnungsausstellung seiner Galerie (Eröffnung im Op de Eck, Grabbeplatz, am Mittwoch, dem 13. April, 20 Uhr). Die Ausstellung wird zeitgleich an sechs höchst unterschiedlichen Orten im Stadtgebiet sein, die sich alle mit Max Mayers Biographie verbinden. „Auch der Weg zwischen den Orten ist mir wichtig”, ergänzt der Junggalerist. Mit der Düsseldorfer Premiere, die noch ohne eigenen Galerieraum stattfindet, will Mayer die Künstler vorstellen, mit denen er auch später zusammenarbeiten will.
Alle fünf Künstler (der Generation Mayer) entwickeln Arbeiten für die
besonderen Orte und Räume. Diese Orte sind „besonders neuralgische
Punkte” für Max Mayer selbst, sie spannen ein „psycho-geographisches”
Netz über die Stadt und lassen es an den Ausstellungsorten sichtbar
werden.
Daniela Baldelli (Paris) ist Bildhauerin und wird im
Ausstellungsraum der ehemaligen Oktoberbar auf der Ackerstraße in
Flingern ausstellen. Ihre Arbeit wird auf das Zwischenstadium dieses
Raumes eingehen: Als Kegelbahn gebaut, wandelte sich der Raum zuletzt
zum aufregenden und meist frequentierten Projektraum. Alle zwei Tage
wechselten hier die Ausstellungen.
Marieta Chirulescu (Berlin) wird im nördlichen Ratinger Tor eine Arbeit zeigen, die sich auf das zitieren von Stilen bezieht. David Heitz (Karlsruhe) zeigt in einer Wohnung in der Remscheider Straße 11 eine neue Diaprojektion. Christoph Westermeier
(Düsseldorf) nutzt Zimmer 115 des Steigenberg Park Hotels und will auf
das „Ausstellen” in Hotelzimmern eingehen. Schließlich wird Nadim Vardag (Wien) gleich an zwei Orten aktiv - in der Julia Stoschek Collection
und im Salon des Amateurs in der Düsseldorfer Kunsthalle. In das Foyer
wird eine „Moving image”-Arbeit installiert, die Lichtreflexion und
Fotografie in einer Installation zusammenbringt, während im Salon des
Amateurs ein Videoloop von kurzen Filmsequenzen läuft. Flächigkeit,
Arbeiten mit Licht, sowie Geschwindigkeit im Filmbild sind Themen, die
in den Filmsequenzen schon vorhanden waren, die aber in den
Wiederholungen des Loops zu neuer Klarheit kommen.
Medientheoretiker Paul Virilio fasste Psycho-Geographie als Form der Subversion des Umherschweifens auf: Da Kritik und Negation den instrumentellen Informationsimperialismus nicht mehr konterkarieren können, sondern diese Entwicklung nur noch durch eine exzessive Übererfüllung gesellschaftlicher Ziele bekämpft werden kann, muss das die psychogeographische Subversion des Umherschweifens durch eine ›ekstatische‹ Subversion, durch ein ›katastrophisches‹ Szenario beantwortet werden.
Eine Kooperation mit der Galerie seines Sohnes Max strebt Hans Mayer nicht an. Stattdessen erhält er am neuen Standort Verstärkung von seiner Tochter Marie.
C. F. Schröer
21.06.2011 12:16 (Kommentare: 0) | Weiterempfehlen
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